Das Jahr 2020 wird auch der zivilen Luftfahrtbranche noch lange in Erinnerung bleiben. Der soeben publizierte Annual Safety Report 2020 (in Englisch) bringt das zumindest zahlenmässig zum Ausdruck. In der nicht kommerziellen Luftfahrt (General Aviation) ging die Anzahl Vorallmeldungen gegenüber dem Vorjahr um 23% zurück, bei nahezu gleich vielen Flugbewegungen wie in der Vorperiode. Soweit so gut. Allerdings stellt das BAZL bei seinen Inspektionen aber auch immer wieder fest, dass gewisse Meldungen trotz Meldepflicht nicht gemacht wurden.

Deshalb: Meldungen sicherheitsrelevanter Vorkommnisse sind ein “must”. Sie liefern nicht nur wertvolle Anhaltspunkte zur Verbesserung der Safety insgesamt, sondern gehören auch zu einer guten Sicherheitskultur (Just Culture). Wir werden in den nächsten Wochen die Themen “Meldung von Vorfällen” und “Just Culture” noch einmal aufgreifen und nützliche Orientierungshilfen bieten.

Bei den Unfällen bewegt sich die Statistik mit 26 Unfällen (2019: 26) und 30 schweren Vorfällen (2019: 33) in etwa auf Vorjahresniveau. Ein positiver Trend kann hingegen bei der Anzahl von tödlichen Unfällen (6) verzeichnet werden: Mit zehn Todesopfern, welche allesamt aus der General Aviation zu beklagen sind, hat sich die Zahl gegenüber 2019 fast halbiert.

 

Annual Safety Report 2020 (PDF, 3 MB, 14.04.2021)

Das Schweizer-Wetter ist diese Woche von durchziehenden Warm- und Kaltfronten gekennzeichnet. Eine besonders gefährliche Erscheinung im Winter sind gefrierender Nebel oder Regen. Im Gegensatz zu Schneeregen, Eis-Pellets oder Hagel, besteht gefrierender Regen aus unterkühlten Flüssigkeitstropfen. Befindet sich unter einer wärmeren Schicht eine Luftmasse unter 0° Celsius, können Wassertropfen zu gefrierendem Regen werden, indem sie sich weiter abkühlen ohne zu kristallisieren.

Incident Freezing Rain EC 635 der Schweizer Luftwaffe

Ein EC635 der Schweizer Luftwaffe startete am 24. Feb 2017 um 09:40 UTC in Alpnach via Grossschlierental Richtung Payerne. Der Helikopter durchflog in der Region Glaubenberg eine Zone mit Niederschlag bei guter Sicht und einer Wolkenbasis von ca. 6000ft msl. Beim Überqueren einer Krete gefrieren innerhalb von 10 Sekunden die Frontscheiben komplett zu. Die Aussentemperatur betrug -3.2°C. Das Titelbild spricht für sich.

In einer solchen Wettersituation sind Regentropfen zwar flüssig, deren Temperatur aber weit unter dem Gefrierpunkt. Und wenn diese Tropfen auf die Oberfläche eines Luftfahrzeuges treffen, gefrieren sie blitzartig. Sehr wichtig ist deswegen die Kenntnis der Nullgradgrenze und der Luftfeuchte. Sie ist am besten der aktuellen «Significant Weather Chart» (SWC) zu entnehmen, die darüber hinaus die zu erwartende Vereisung für verschiedene Zonen vorhersagt.

Ein Blick auf die Significant Weather Chart zeigt am 24. Feb 2017 folgendes Bild (LOW-LEVEL SWC ALPS 0600-1100 UTC)
METAR Alpnach: LSMA 0950Z 050/08kt Sicht über 10km leichter Regen OVC044 05°C Q1014

Nach dem Verlassen der Regenzone unter Zuhilfenahme von Autopilot und Euronav tauen die Frontscheiben langsam ab und geben die Sicht nach aussen wieder frei.

Wichtige Merkpunkte

Generell lässt sich sagen, dass eine Vereisung von Zelle und Propeller im Nebel, in Wolken und in Niederschlagsgebieten bei Temperaturen zwischen 0 ºC und -15 ºC auftritt, besonders häufig bei etwa -5ºC. Mit zunehmender Kälte wird die Vereisungsgefahr geringer, weil die Luft dann weniger Feuchtigkeit enthält. Deshalb sollte auf eine sorgfältige Flugplanung und Safety-Indikatoren während des Fluges besonderes Augenmerk gelegt werden.

•  Vereisung kann auch ausserhalb von Wolken auftreten
•  Vereisung kann auch auftreten, wenn keine Prognose Vereisungsgefahr voraussagt
•  Wetterdaten beachten: FZRA-freezing rain,  FZDZ-freezing drizzle,  FZFG-freezing fog,  &   rain & icing in der gleichen Region auf der SWC!
•  Niederschlagszonen mit Konditionen wie oben beschrieben evtl. umfliegen / meiden oder sofort verlassen
•  Die Heizung ist zu wenig leistungsfähig um die Frontscheibe abzutauen
•  Luftschichten mit positiver Temperatur aufsuchen, evtl. steigen
•  DMAP Terrain Warning on, A/P higher Modes on, Umkehrkurve
•  Durch Vereisung hervorgerufene Gewichtszunahme, Leistungsabnahme, Vibrationen etc. könnten auftreten
•  Als letzter Ausweg für eine Notlandung ohne Sicht, Türe abwerfen, low speed-climb!

Wir danken der Schweizer Luftwaffe für dieses eindrückliche Anschauungsbeispiel und die zur Verfügung gestellten Bilder.

Vor etwas mehr als einem Jahr wurde die Meldepflicht auch für die General Aviation eingeführt. In einem Jahr sind rund 200 Meldungen beim BAZL eingegangen. Dank den Ereignismeldungen können Vorläufer für schwere Vor- und Unfälle frühzeitig erkennt werden und – wo solche möglich sind – geeignete Gegenmassnahmen getroffen werden. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto genauer wird das Gesamtbild über das Sicherheitsniveau der Zivilluftfahrt.

Hier einen Einblick über die Meldungen des ersten Jahres:

Am meisten gemeldet wurden Luftraumverletzungen, insgesamt 70. Aber auch in anderen Kategorien wurde aber einiges rapportiert.

  • rund 20 Meldungen zu Abeichungen von ATM Procedures (ATM Procedure Deviation). Beispiele dafür sind Landungen von Piloten oder Pilotinnen auf falschen Flugplätzen, der falscher Piste, dem Taxiway statt der Piste, oder Landung in die falsche Pistenrichtung.
  • ca. 10 Meldungen zu Annäherungen von Fluggeräten (Airprox). Beispiel: Piloten und Pilotinnen melden, dass die Distanz zwischen mehreren Luftfahrzeugen die Sicherheit beeinträchtigt hat.
  • Etwas mehr als 30 Meldungen kamen aus dem Bereich Flight Operation.
    • ca. 10 Meldungen im Bereich Helikopter Operation (OPS HELO ).
    • ca. 10 Meldungen im Bereich Remotely Piloted Aircraft Systems (OPS RPAS Multikopter).
    • ca. 10 Meldungen im Bereich von Landungen ( OPS APCH-LDG zB. harte Landungen, destabilisierte Landeanflüge oder Landungen ohne Erlaubnis).
  • Im Technischen Bereich gab es ungefähr 20 Meldungen: Davon etwas mehr als 10 zum Thema Engine & Fuel und einige im Bereich Landing Gear & Wheel.
  • Auch im Bereich der Boden Operation (Aerodrome) sind einige Meldungen eingegangen.

Diese Meldungen fliessen laufend in die Erarbeitung neuer Stay Safe-Themen mit ein. Hier einige Beispiele:

Meldungen aus der General Aviation

Das BAZL hat von einem Piloten die Meldung über eine Landung auf dem Taxiway statt auf der Graspiste in Bern erhalten:

“Initially the tower controller instructed me to join right hand base for runway 14. When I later reported my position, the controller asked whether I could accept grass unway 14R. I confirmed acceptance of grass runway 14R and continued the approach. I landed on the taxiway of grass runway 14R.”


Wetter:

Weather LSZB XXXXXZ 14004KT 090V180 CAVOK 23/16 Q1018 NOSIG


Analyse:

  • Es ist das dritte Mal dieses Jahr, dass ein Pilot bei bestem Wetter auf dem Taxiway statt auf dem RWY 14 in Bern landet
  • Die Daten der Vorfälle am Flughafen betreffend solchen Vorfällen zeigt , dass in der Vergangenheit bereits in den letzten Jahrern mehrere Piloten in Bern auf dem Taxiway statt auf dem Runway gelandet sind (LDG auf dem Taxiway statt auf dem RWY 32 oder 14):
    2008: 2
    2010: 2
    2011: 2
    2013: 1
    2016: 3


Massnahmen:
Als Sofortmassnahme wurden durch den Flughafen in Bern die Ränder und „Threshold marking“ (Pistenrichtungsbezeichung) der Graspisten vom eingewachsenen Gras entfernt. Als längerfristige Massnahme (für das nächste Frühjahr) werden die Ränder mit weissen Bodenplatten oder ähnlichem ergänzt (U-Form im Bereich der Pistenrichtungsbezeichnung).

Zusätzlich wurden die Vorfälle im Runway Safety Team des Flughafens Bern mit Beteiligung des BAZL analysiert und besprochen.


Empfehlung des BAZL:
Die Ansicht im Anflug auf die Graspiste LSZB kann im „long final“ zu einiger Unsicherheit führen. Es handelt sich um eine besonders breite grüne Fläche, welche verschiedene grüne Streifen (Piste, Taxiway, Land dazwischen) aufweist. Diese Ansicht, welche der Pilot vor Augen hat, kann unter Umständen verwirrend oder täuschend sein.

Die Statistik zeigt, solche Fehler können jedem Piloten passieren. Gerade deshalb sollen solche und weitere Ereignisse dem BAZL über aviationreporting.eu gemeldet werden. Nur wenn wir offen über unsere „Slips and Errors“ sprechen, kann das BAZL zusammen mit den Stakeholdern auch entsprechende Gegenmassnahmen und Verbesserungen einleiten. Ein anderer Pilot kann eventuell davon profitieren.

Mit diesem Stay Safe Beitrag möchten wir auch eure persönliche „Awareness schärfen“, damit ihr in LSZB nicht in die gleiche Situation geratet.

Als Beilage nochmals die heute aktuelle VAC Karte und Bilder welche die angetroffene Situation gut aufzeigen (vorher /nachher).

VAC Karte

 

Bilder: Flughafen Bern und SUST

Fehler passieren allen und sind menschlich. Wie kann ich einen Fehler, der mir passiert ist mit anderen teilen? Genau dafür steht das Internetportal aviationreporting.eu zur Verfügung. Mit dem beiliegenden Leitfaden möchten wir euch unterstützen und ermutigen, sicherheitsbezogene Vorfälle systematisch zu erfassen. Eine offene Fehlerkultur hilft anderen Piloten, Mechanikern, Controllern, Rampern und dem BAZL aus vergangenen Fehlern zu lernen. Deine Meldung trägt dazu bei, die Fehlerkultur im schweizerischen Luftfahrtsystem zu verbessern.

Zum Leitfaden

 

 

Weshalb muss ich nach einem Vorfall eine Meldung machen? Kann ich damit etwas zur Sicherheit beitragen? Mit der Einführung eines neuen Meldesystems auch für die General Aviation wird eine neue Kultur etabliert, in der alle aus passierten Fehlern lernen dürfen.

Unser FAQ findest Du hier:
FAQ Meldewesen

 

Welche Ereignisse solltest Du als Pilot eines Leichtflugzeuges oder eines Ballons melden? Diese Liste hilft Dir weiter.

Flyer Leisure_Aviation.pdf

Warum hat das BAZL das freiwillige Meldewesen SWANS abgeschafft?
Hat es nicht! SWANS wurde durch einen neuen Meldekanal ersetzt. Auch über diesen Meldekanal könnt Ihr das BAZL freiwillig über Vorkommnisse informieren und Sicherheitsbedenken aller Art melden. Besucht das Meldeportal unter www.aviationreporting.eu.

Übrigens: Wir haben euch bereits darüber informiert, dass neu auch die General Aviation zur Meldung gewisser Ereignisse verpflichtet ist. Auch diese Ereignisse könnt ihr dem BAZL über das neue Portal melden.

Meldungen lassen sich auf dem EU-Portal über zwei Kanäle absetzen. Wenn ich nicht als Safety-Verantwortlicher einer Organisation melde, verwende ich den Kanal “on my personal behalf”.

http://www.aviationreporting.eu