Ein Motorenproblem oder gar ein Motorenstillstand während der Startphase kann auch bei erfahrenen Piloten immer wie-der Ursache für schwere Unfälle sein. Häufig bleiben nur wenige Sekunden, um eine gute Entscheidung zu fällen. Das Stan-dard-Briefing der Flugschulen bei einem Notfall während der Start-phase lautet für ein einmotoriges Leichtflugzeug ungefähr so: «Engine failure on the runway, power off and breaks to stop. Engine failure up to 1000 feet AGL take glide speed x knots, land on field ahead. Engine failure above 1000 feet AGL take glide speed x knots, return to the airport.» Leider gibt es in dieser Phase trotzdem immer wieder tödliche Unfälle, wie auch aktuelle Fälle gezeigt haben. Wenn beim Fliegen etwas aus dem Ruder läuft, gibt es bei allen Szenarien die goldene Regel: FLY – NAV – COM – CHECKLIST. Erst einmal die Fluglage stabilisieren, dann sich orientieren und navigieren, dann COM, also Funken. Und zuletzt immer die Checkliste abarbeiten.
Denkanstösse geben
Unser Beitrag soll in erster Linie den Piloten Denkanstösse geben, wie sie im Fall eines Motorenproblems beim Start Szenarien zur Hand haben, um in einer Stresssituation das richtige Vorgehen zu wählen. Was der Beitrag nicht kann, ist ein Auflisten aller möglichen Szenarien mit verbindlichen Handlungsanweisungen. Gemeinsam ist jedoch allen Szenarien, dass wir als Piloten stets zuerst die Fluglage stabilisieren und einen stabilen Gleitflug vornehmen müssen. Erst dann wird über die nächsten Schritte ent-schieden. Bei einem Motorabsteller kurz nach dem Start wird häufig vor lauter Schreck am Steuerhorn gezogen oder eine viel zu kurze Umkehrkurve versucht, die zu einem Base Turn Stall und damit zu einem Absturz führt. Abhängig von Flugzeug und Startsituation wollen wir die möglichen Szenarien Schritt für Schritt durchdenken. Hierzu ein paar unverbindliche Beispiele:
Landemöglichkeit auf Wiese
Beim Szenario 1 haben wir ein Motorenproblem bei knapp 1000 feet AGL. In Startrichtung hat es Felder und Wiesen. Das ideale Notfallprozedere wäre eine Landung im Gleitflug ungefähr in der Pisten-achse. Eine Umkehrkurve zurück auf die Piste kann in dieser Höhe zum berüchtigten Base Turn Stall führen. Je nach Notfall-Checkliste gehört Throttle idle, mixture cut-off, Fuel selector off, Battery mas-ter off (plus eventuell andere Themen wie Einziehfahrwerk einfahren) zu den Prozeduren. Kurz vor dem Aufsetzen die Türe(n) öffnen. Das Air Flight Manual des konkreten Baumusters bleibt verbindlich. Bei einem Hochdecker besteht beim Überschlag auf festem Boden die Gefahr, dass die Flügel abreissen, Treibstoff ausläuft und das Flugzeug Feuer fangen könnte.
Wassern kann sicherer sein
Bei Szenario 2 haben wir das gleiche Szenario wie oben, jedoch eine Wasserfläche voraus, und es reicht ebenfalls nicht zurück auf die Piste. Eine Wasserung kann unter Umständen sicherer sein als auf festem Boden zu landen. Dafür das Einziehfahrwerk (sofern vorhan-den) einfahren und je nach Flugzeugtyp mit Minimalgeschwindig-keit (Full flaps) mit ca. 10 – 15° Anstellwinkel wassern. Kurz vor dem Aufsetzen die Türe(n) öffnen plus die üblichen Prozeduren Throttle/Mixture/Fuel/Battery. Das Air Flight Manual des konkreten Baumusters bleibt verbindlich. Bei einem Tiefdecker hat man damit gute Chancen, trockenen Fusses aussteigen zu können. Bei Hochdeckern ist aufgrund der Massenverhältnisse ein Überschlag wahrscheinlicher. Die Wahl zwischen festem Boden und einer Wasserung wird also meist die Wasserung sein, aber nicht generell beim Hochdecker. Also auch hier: Es kommt auf das Szenario an, das nur der Pilot selber im konkreten Fall entwickeln kann. Und wie bekommen wir die Türen auf? Auch hier gibt es diverse Szenarien abhängig vom Baumuster. Bei vielen Flugzeugen kann man einfach die Türe entriegeln, bei manchen Hochdeckern lässt sich mit Ziehen eines Splints die Türe einfach aushängen. Wenn die Tür aufgrund des Aufpralls blockiert ist, ist es sinnvoll oder sogar lebensrettend, wenn ein Hilfsmittel zum Zerschlagen der Glasscheibe vorhanden ist, wie zum Beispiel bei der Cirrus SR22, oder ein passendes Teil aus dem Zubehörhandel.
Umkehrkurve ist möglich
Beim Szenario 3 befinden wir uns bereits über 1000 feet AGL, wenn der Motor ausfällt. Ob es wirklich für einen Rückflug zur Piste reicht, muss im Einzelfall beurteilt werden. Es gibt erfahrene Piloten, die 2000 feet AGL fordern, bevor eine Umkehrkurve im Gleitflug gesucht wird. Aber auch das kann keine goldene Regel sein. So gibt es beispielsweise Kunstflugzeuge, die schon Umkehrkurven mit geringerer Höhe als 1000 Fuss erlauben; bei anderen Baumustern sind 2000 Fuss ein vernünftiger Rahmen. Auch hier: Es kommt auf die Situation und den Flugzeugtyp an. Wenn der Weg zurück zur Piste möglich scheint, gelten die vielfach geschulten Verfahren: Gleitflug ohne Flaps und mit eingezogenem Fahrwerk zum Feld zurück. Sobald die Landung gesichert erscheint, das Fahrwerk ausfahren und die Flaps setzen. Wie in den obigen Fällen muss das Air Flight Manual des konkreten Bau-musters als verbindliche Anweisung dienen.Bei zu grosser Höhe einen Key point etwa 1 Kilometer von End base der aktiven Runway definieren und in 360-Grad-Kurven um den Key Point herum absinken, bis das Feld im Gleitflug erreicht werden kann. Base turn zu final dreiecksförmig einnehmen, um die Distanz zum Aufsetzpunkt steuern zu können. Sobald die Landung gesichert erscheint, Fahrwerk ausfahren und Flaps setzen. Auch hier gibt es verschiedene Techniken, wir haben hier nur ein Beispiel beschrieben.
Weitere Konsequenzen von Power loss
«Zurück zur Piste» sieht bei einem Leistungsverlust eher machbar aus als wenn der einzige Motor mit einem Schlag gestoppt hat. Ob der Propeller noch im Fahrtwind dreht oder auf maximalem Luft-widerstand steht, macht einen grossen Unterschied für die Reich-weite im Gleitflug aus. Bei Flugzeugen mit Gesamtrettungssystem (zum Beispiel Cirrus SR20 und SR22 sowie vielen Ultralights) gehört zum Take-off-Briefing zwingend die Frage, ab welcher Flug-höhe der Fallschirm gezogen werden kann und soll. Je nach Bau-muster kann das schon ab 400 Fuss Höhe lebensrettend sein. «Climb to safe altitude» bei zweimotorigen Flugzeugen mit einem Single Engine Failure sieht bei genügenden Sichtverhältnissen (VMC) ganz anders aus als in IMC. In VMC kann es eine Platzrunde werden, in IMC hat es vielleicht nicht die Sicht dafür. «Landing ahead» sieht im Gebirge ganz anders aus als auf der flachen Wiese oder über einem See.
Nicht der Weisheit letzter Schluss
Ist dies nun der Weisheit letzter Schluss und damit das «Kochbuch», was in Power-loss-Situationen nach dem Start zu tun ist? Nein, abso-lut nicht. Dieser Beitrag versucht lediglich, uns alle zum Nachden-ken anzuregen. Wir sollten zum Take-off-Briefing genau analysiert und festgelegt haben, welche Power-loss-Szenarien es am heutigen Flugtag gibt, passend zu Flugzeugtyp, Wetter, Geographie (Land und Wasser) und weiteren Faktoren. Es kann lebensrettend sein, dem vitalen Risiko «Power loss after Take-off» vor dem Start mit differenzierten Szenarien und durchdachten Reaktionen zu begegnen und wertvolle Zeit zu gewinnen. Auch hilft es sehr, mit dem Fluglehrer zum Beispiel beim jährlichen Checkflug der Motorfluggruppe das Landen (in der Regel simuliert mit Engine idle) «Power loss» aus sicherer Höhe heraus zu üben. In der Realität geht es dann meistens schneller bergab als in der Übung mit «Engine idle». Auch das muss man sich immer vorher klar machen. Der grösste Beitrag zur Flugsicherheit ist und bleibt kontinuierliches Training und Dazulernen. Und das macht dann meistens auch noch viel Freude.
Autoren: Markus Kirchgeorg, Flight Safety Officer, FFAC, und Daniel Knecht, Fachbeirat, FFAC
Weitere sehr vielfältige und wertvolle Informationen zu Aviatikthemen sowie zu Safety findest du in der Aerorevue. Das Fachmagazin der Schweizer Leichtaviatik erscheint alle zwei Monate.
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