Fliegen in der kalten Jahreszeit

Die kalte Jahreszeit ist da und damit auch Wolken und Nebel, besonders im Mittelland. Obwohl wir heute viele Tools und Apps für die Wetterplanung zur Verfügung haben, das GO oder NOGO erfolgt oftmals in letzter Minute. Statistiken zeigen, dass VFR-Flüge unter Instrumentenflugbedingungen die tödlichste Art von wetterbedingten Unfällen sind und eine viermal so hohe Todesrate hat, wie alle anderen Unfälle der Leichtaviatik. Unfallberichte wie dieser hier sind bezeichnend, wie ein «VMC into IMC»-Flug enden kann:
«Der Unfall, bei dem eine Cessna 152 während des Anflugs auf den Flugplatz in einen Wald abstürzte, ist auf einen Kontrollverlust in Instrumentenflug-Wetterbedingungen zurückzuführen.» Der Kontrollverlust war die Folge einer räumlichen Desorientierung, also ein Flug nach Sicht ohne Sichtreferenz. Wieso begeben sich Piloten leichtsinnig und unnötig in Gefahr von VMC in IMC zu fliegen? Ist es zeitlicher Druck, ein Wiegen in falscher Sicherheit, „ich schaffe das schon“ oder gar Leichtsinn? Wie auch immer, uns bleibt nur die Möglichkeit, immer und immer wieder auf diese grosse Gefahr aufmerksam zu machen.

Beginnen wir mit ein bisschen Meteokunde
Typisch für die kalte Jahreszeit: Wenn das Laub sich verfärbt, schrumpft der Spread, ein wichtiger Aspekt bei der Nebelbildung in der dritten Jahreszeit. Mit dem Spread bezeichnet man den Unterschied zwischen aktueller Temperatur und Taupunkt; wenn sie zusammentreffen, haben wir Nebel. Der Grund dafür sind die vorherrschenden Hochdrucklagen im Herbst und Winter, welche uns windstille und klare Nächte bescheren. In diesen findet eine starke Abstrahlung statt, der Boden kühlt ab und damit auch die Luft darüber. Bei genügender Feuchtigkeit kann die Luft dabei den Sättigungspunkt erreichen und es bildet sich in den frühen Morgenstunden Nebel. Dies geschieht von der Bodenoberfläche her, so dass sich in der Nacht zuerst nur Wiesennebel (engl. shallow fog, MIFG) bildet. Dieser wird mit der Zeit dichter und wächst sowohl horizontal als auch vertikal in die Höhe. Es entstehen Nebelbänke (engl. fog patches, BCFG) und im weiteren Verlauf bildet sich eine kompakte Nebelschicht (engl. fog, FG) mit einer reduzierten Sicht von unter 1 km.

Diese Nebelart nennt man Strahlungsnebel. Die Auflösung setzt erst ein, wenn die Sonne einen gewissen Stand erreicht hat, wobei die Sonneneinstrahlung zuerst den Erdboden erwärmt und die darüberliegenden Nebeltröpfchen verdunsten lässt. Nebel bildet sich vor allem im Herbst resp. übers Winterhalbjahr und hat natürlich mit der Position der Sonne zu tun. Wenn sie im Hochsommer fast senkrecht über unseren Breiten steht, treffen die Sonnenstrahlen annähernd rechtwinklig auf die Erdoberfläche und heizen diese erheblich intensiver auf, als wenn sie sich im Winterhalbjahr schräg einfallend über eine wesentlich größere Fläche verteilen. Da die Luft nicht direkt durch die Sonne, sondern Wärmeabstrahlung des Bodes erwärmt wird, werden bei tiefem Sonnenstand keine hohen Temperaturen mehr erreicht.

Die Entstehung von Nebel ist lokal sehr unterschiedlich und von Flugplatz zu Flugplatz verschieden. So ist entscheidend, ob sich ein Flugplatz in einer Talmulde oder an einem Hang befindet, ob es Gewässer und damit mehr Feuchte in der Umgebung hat oder ob durch Niederschlag am Vortag mehr Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Flugplätze, die in der kalten Jahreszeit oft von Nebel heimgesucht werden, liegen insbesondere im Mitteland in Tälern mit Flüssen oder Gewässern. Dazu zählen unter anderem St. Gallen-Altenrhein, Lommis, Zürich, Birrfeld und  Grenchen.

Eine sorgfältige Flugplanung ist das A und O
Für die Planung von Flügen hat dies eine erhebliche Auswirkung. Wenn früh morgens der Flugplatz noch im Nebel liegt, ist das höchstens ärgerlich, aber bringt keine Gefahr – wir warten bis sich der Nebel auflöst. Anders ist es, wenn am Abend bei niedrigem Sonnenstand der Boden immer mehr und mehr im Nebel verschwindet. Und das kann ziemlich schnell gehen. Dann nähern sich Taupunkt und Temperatur immer schneller an bis sie gleich sind: Nebel bildet sich, eine Landung wird unmöglich.

Für die Flugplanung heisst das, insbesondere ein Augenmerk auf die Prognosen zu legen. Dafür stehen im VFR-Bereich folgende Produkte zur Verfügung (erhältlich auf www.skybriefing.com):

  • Flugwetterprognose: unter «Gefahren» wird vor Nebel gewarnt
  • GAFOR: die Veränderung hin zu X-Ray inklusive dem Wetterelement Nebel
  • METAR: kleiner Spread
  • TAF: Verschlechterung der Sicht und Nebel (FG) in den Änderungsgruppen
  • LLSWC: Symbol für Nebel (FG), oft begleitet von LCA (locally)

Merkpunkte für die Flugplanung

Von uns aus möchten wir euch drei Merkpunkte ins Cockpit geben:

  1. Bereite deinen Flug sorgfältig vor. Insbesondere ein seriöses Meteo-Briefing ist wichtig. Im Zweifelsfalle bitte erfahrene Piloten und Fluglehrer um Rat und ruf für eine Einschätzung auf dem Zielflugplatz an. Kompetente Beratung erhältst du zusätzlich auch über die zwar kostenpflichtige aber individuelle Wetterberatung von Meteo Schweiz (Tel. 0900 162 737), speziell auch für das Wetter Enroute.
  2. Wähle einen guten Alternate. Der Ausweichflugplatz sollte, wenn möglich in einem anderen geografischen Gebiet liegen, in dem kein Nebel erwartet wird (z.B. Zielflughafen Bern, Alternate Ecuvillens statt Bern, oder Zielflughafen St. Gallen Altenrhein, Alternate Bad Ragaz statt Lommis). Nimm dazu auch genügend Treibstoff mit!
  3. Geh nicht aufs Ganze. Das Eintauchen in IMC ist mit Stress und dem Verlust der räumlichen Orientierung verbunden. Vergewissere dich daher über deine „Persönlichen Minima“ zur Reduktion von Risiken.

Weitere, wertvolle Informationen zum Fliegen in der kalten Jahreszeit liefert euch der Beitrag:  Sichtweiten Sichtweiten: Nebel – die tückische
«Bodenwolke»
 von Meteoschweiz.

Safety Tipp: Solltest du trotzdem von VMC in IMC geraten, dann gibt’s nur eines: Fliege zurück von dort wo du hergekommen bist, d.h. 180-Grad Standard-Umkehrkurve und du bist in einer Minute wieder aus den Wolken oder dem Nebel raus! Das klappt aber nur, wenn das auch mal unter erschwerten Bedingungen geübt wird und sollte nie im Voraus bereits eingeplant sein!

 

Exkurs: “Persönliche Minimas
Persönliche Minimas sind Mindestanforderungen und Entscheidungskriterien, welche am besten am Boden definiert werden, frei von äusserem Druck
und der Arbeitsbelastung durch das Fliegen des Flugzeugs. Sie beziehen sich auf Bereiche wie dich als
– Pilot
– Wetter und Wetterbedingungen
– das Luftfahrzeug
– den Flugplatz

sowie andere safety-relevante Aspekte. Die bewusste Auseinanderesetzung mit den persönlichen Minimas dient der strukturierten, mentalen Flugvorbereitung noch bevor wir uns im Flug mit der Situation konfrontiert werden. Denk daran, deine persönlichen Mindestanforderungen und dein fliegerisches Können regelmässig zu reviewen und zu aktualisieren.


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